Fear

75,6kg.

Diese Zahl stand heute auf der Waage. Für manche ist es nur eine Zahl, für mich ist es mehr als das. So sehr ich auch versuche mich nicht davon beeinflussen zu lassen, gelingt es mir nicht. Immer wieder kommen die gleichen Gedanken.

„Im Sommer waren es noch 71 Kilo. Du nimmst wieder zu.“ 

Ich versuche mich selber zu beruhigen, indem ich nach rationalen Erklärungen suche. Nach Erklärung, wie dass ich bald meine Tage bekommen könnte oder dass ich gestern fettig gegessen habe und Wasser eingelagert wird. Alles das hilft wenig. 

Ich versuche nicht darüber nach zu denken und mich nicht beeinflussen zu lassen von der Tatsache, dass ich wieder zugenommen habe. Aber heute ist so ein Tag, da gelingt es mir nicht. Immer wieder versinke ich in negativen Gedanken. Gedanken darüber, dass ich dick bin, dass ich wieder zugenommen habe, dass ich wieder Diät halten muss und dass alles wieder den Bach runter geht. Ich katastrophiere weiter und weiter und weiter. 

Auch wenn ich eigentlich weiß, dass genau diese negative Selbstverstärkung das eigentliche Problem ist und nicht die Tatsache, dass ich über die letzte Zeit ein paar Kilo zugenommen habe, kann ich die Gedanken nicht stoppen.

Es bleibt die Angst. Die Angst, wieder zuzunehmen. Die Angst, dass ich wieder versage. Dass ich versage, obwohl ich es doch nach der Therapie eigentlich besser wissen müsste. Dass ich eigentlich wissen müsste, dass nicht das Gewicht das Problem ist, sondern der Stress, den ich habe. Dass ich darauf achten muss, dass ich Dinge mache, die mir guttun. Und dass ich eigentlich gerade in diesen schweren Momenten nett zu mir sein müsste. 

Während ich diese Gedanken denke, werde ich wütend. Wütend darauf, dass ich in dieser Situation bin. Darauf, dass ich es nicht besser mache. Wütend auf alles.

Ich versuche mich zu erinnern, was ich in der Therapie und den letzten Jahren gelernt habe. Ich versuche mir gut zuzureden. Mich zu besänftigen. Aber der es klappt nicht. Egal wie oft ich mich frage, was das Schlimmste ist, das passieren kann. Und egal wie oft ich mir selber sage, dass eigentlich nichts Schlimmes passieren kann, selbst wenn ich zunehme, besiegt nichts diese Angst. Die Angst, dass alles umsonst war. Die Angst, dass ich doch nicht geheilt bin. Dass ich immer noch krank bin. Immer noch essgestört.

Ich hatte schon eine ganze Weile beobachtet, dass ich wieder zu emotionalem Essen neige. Dass ich den Stress, den ich habe, betäube, anstatt ihm auf den Grund zu gehen., dass ich lieber arbeite, anstatt eine Pause zu machen und innezuhalten. Dass ich meinen Schlaf nicht priorisiere. Dass ich meinen morgendlichen Spaziergang ausfallen lasse. Alles das habe ich zwar bemerkt, aber beiseite geschoben. Ich konnte mich damit nicht beschäftigen. Oder sollte ich besser sagen, ich wollte mich damit nicht beschäftigen?

Und genau das macht mich noch wütender. Weil genau das doch eigentlich das ist, was ich besser machen wollte. Und auch schon besser gemacht habe. Warum dann jetzt nicht?

Ich weiß es nicht. Und ich finde auch keine wirklich gute Antwort. 

Ich versuche mir immer wieder und wieder zu sagen, dass es ok ist. Dass ich gerade viel durchmache und dass ich lernen muss, auch diese Phase zu akzeptieren. Dass ich versuchen sollte, das Gute im Schlechten zu sehen. 

Aber was kann schon gut daran sein, dass ich wieder zunehme?

Am ehesten vielleicht die Tatsache, dass es ein Signal für mich ist. Ein Signal, dass ich hinhören muss. 

Aber was ist, wenn ich gar nicht hinhören will? Weil hinhören ganz schön anstrengend ist… 


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